unseren Kollegen und Freund
Prof. Dr. Thomas Kuczynski
(12.11.1944 London – 19.8.2023 Berlin)
Mit ihm haben uns wichtige Projekte verbunden: die Wiederbelebung des René Kuczynski-Preises, die Entschädigung der NS-Zwangsarbeiter und die Weiterentwicklung der Marxschen Theorie.
Mit Thomas Kuczynski kamen wir zu Beginn der 1990er Jahre in Kontakt, als das von ihm geleitete Institut für Wirtschaftsgeschichte der Akademie der Wissenschaften nach dem Untergang der DDR aufgelöst wurde. Wir bewunderten den Mut und die Entschlossenheit, mit der er, ein international anerkannter Ökonometriker und Wirtschaftshistoriker, dagegen ankämpfte.
In den folgenden Jahren kam es zur Zusammenarbeit mit Thomas Kuczynski auf mehreren Ebenen. 1996 wurde der von seinen Eltern Jürgen und Marguerite Kuczynski 1976 gegründete René Kuczynski-Preis im Rahmen unserer Stiftung wiederbelebt und nach zwei Preisverleihungen in den Jahren 1997 und 1999 an die mit uns befreundete ITH in Linz / Wien weitergegeben. Zu Beginn des neuen Millenniums schloss Thomas Kuczynski ein von unserer Stiftung in Auftrag gegebenes Gutachten zur Entschädigung der NS-Zwangsarbeiterinnen und -Zwangsarbeiter ab, das Furore machte und die quantitative Seite der Entschädigungs- und Reparationsfrage auf eine neue Grundlage stellte. Einige Jahre später beteiligte sich Thomas Kuczynski mit einem Beitrag zur Marxschen Arbeitswerttheorie an einem Forschungs- und Publikationsprojekt, das sich die Weiterentwicklung der Marxschen Theorie zum Ziel setzte ('Beyond Marx'). Als Thomas Kuczynski 2016 seine Arbeiten zur Neuausgabe des ersten Bands des 'Kapital' abschloss und damit eine Edition vorlegte, die alle beabsichtigten Überarbeitungen von Karl Marx einbezog, erfuhren wir, dass er dafür keinen Verleger gefunden hatte. Durch die Vermittlung unserer Stiftung erklärte sich der Hamburger VSA-Verlag bereit, dieses schwierige und aufwändige Vorhaben zu realisieren. Eine englische Edition ist in Vorbereitung.
Im Ergebnis dieser mehr als dreißigjährigen Kooperation verband uns mit Thomas eine tiefe Freundschaft. Die Zusammenarbeit mit ihm war nicht immer einfach, denn die Zerstörung des von ihm geleiteten wirtschaftshistorischen Forschungszentrums durch die westdeutschen 'Abwickler' hatte ihn tief verletzt. Für diesen Verlust konnte niemand, auch nicht unsere Stiftung, einen adäquaten Ersatz bieten. Gerade dieses gemeinsame Wissen wurde zu einem Fundament unserer freundschaftlichen Zusammenarbeit. Wir werden die Augenblicke in Gedächtnis bewahren, in denen dieser nüchterne Visionär einer sozialistischen Alternative unsere Diskussionen mit seiner feinen intellektuellen Ironie beflügelte.
Angelika Ebbinghaus, Marcel van der Linden und Karl Heinz Roth