Résistance in Griechenland
Zwischenbericht (Eberhard Rondholz)
1. Effizienz der Résistance – belastbare Daten vor allem aus deutschen Archiven?
Obwohl die militärische Effizienz des Partisanenkampfes an der Zahl der gesprengten Brücken und Tunnels, der entgleisten Züge, zerstörten Lokomotiven und Wagons , km Schienen und Tunnels, LKWs u.a. Motorfahrzeuge, Munitions- und Öllager allein nicht zu messen ist, der Zahl der getöteten, verwundeten oder gefangen genommenen Feinde ebenso wenig - es wird darüber Buch geführt, höchst unterschiedlich auf allen Seiten. Das heißt also: Abgleich (ELAS, EDES, SOE/F.O., OSS, IC-Berichte, „Bandenlage“-Berichte der Einheiten. Als Stichprobe 100 Blatt Berichte LXVIII. Armeekorps/Felmy zur detaillierten Auswertung kopiert im Rechner, demnächst (je nach Corona-Lage) nochmal nach Freiburg . Das Woodhouse- „Eiterbeulen“-Narrativ aber auf jeden Fall (nachträgliche!) Zweck-Propaganda, der (von Washington gerügte) Liebes- (und: Geld-) entzug für EAM/ELAS bedurfte der Rechtfertigung.
In Griechenland von großer Bedeutung: die oft erfolgreiche Behinderung der Ausbeutung der Bodenschätze, Überfälle auf Gruben, (Chrom; Nickel, Bauxit, Molybdän). Erste Durchsicht des diesbezüglichen Bestands RW 19 im BArch (Berichte der Wehrwirtschaftsoffiziere) zeigt: es herrscht ein andauerndes Gefühl der Bedrohung, große Erfolge der Partisanen, gesprengte Transportrouten an der Tagesordnung, aufwendige Schutzmaßnahmen erforderlich. Am Ende aber auch zumeist eine Erfüllung der Pläne (außer bei Bauxit). Statistisches Material zu Rohstoffengpässen m Reich noch nicht eingesehen (Chromerz vom Balkan steht bei Eichholtz noch mit 100%...). Erstaunlich: längst nicht alle erfolgreichen ELAS-Sabotagen finden sich bei Sarafis.
2. Materialsuche in Griechenland
Die Wahrnehmung und Beurteilung der Effizienz der Résistance findet in Griechenland heute überwiegend in den gegnerischen politischen Lagern statt (Geschichtsrevisionisten hier, traditionalistische Linke da). Und dies in der Regel nicht auf der Basis wissenschaftlich belastbarer Daten, an denen, wie es scheint, kein gesteigertes Interesse besteht.
Für eine griechische Chronik der Partisanenaktivitäten ist man bis heute im Wesentlichen auf Sarafis angewiesen (Ο ΕΛΑΣ, 1946, DDR-Ausgabe In den Bergen von Hellas“, 1964); .Ein jüngeres „Kriegstagebuch“ der Résistance (Θοδωρής Κ. Κοϊνης, Το Καλαντάρι της Εθνικής Αντίστασης 1940 - 1945, Athen 1998), hrsg. v. PEAEA (Panhellenische Vereinigung der Kämpfer des Nationalen Widerstandes, d.i.: KKE), auf das man Hoffnung setzen konnte, erwies sich als unbrauchbar – offensichtliche Fehler, etliche Übertreibungen. Wie gehabt, Basis im Wesentlichen immer noch Sarafis 1946.
Ausgesprochen nützlich immerhin eine „Chronologie der Ereignisse“, eine Fleißarbeit erstellt im Auftrag der Athener Akademie: Χρονολογίο Γεγονότων 1940 / 1944. Από τα Εγγραφα του Βρεταννικού Υπουργείου των Εξωτερικών. (Hg. Research Center for the Study of Modern Greek History; Red. Maria Spiliotopoulou und Prokopis Papastratis), 2 Bde., 860 Seiten, 4865 Griechenland-Meldungen/Einträge aus dem Foreign Office (F.O. 371). Alles (leider) auf Griechisch übersetzt. Erspart fürs erste den Weg nach London. Ähnlich noch einmal, im Kleinformat, ein Band Meldungen amerikanischer Dienste, nur 183 Seiten (dafür auch OSS). Χρονολογίο Γεγονότων 1940 / 1944. Από τα Εγγραφα Αμερικάνικων Υπηρεσίων, Athen 2004. Eine Chronik der laufenden Ereignisse, ein „Findbuch“ zunächst mal, zum Abgleich begrenzt geeignet.
3. Beitrag EAM zur Rettung griechischer Juden / Fluchthilfe
Dass viele Athener Juden bei der Résistance in den Bergen Zuflucht fanden, ist unumstritten, Zahlen nicht gesichert (Χρον. Γεγ. 424/11.5.44, S.108: 5-6 000). Gesichert ist, dass Oberrabbiner Barzilai von der EAM ins PEEA-Hauptquartier gebracht wurde, nachdem er die Mitgliederkarteien der Gemeinde vernichtet hatte. Viele hundert (vor allem Athener) Juden wurden von der EAM an die Südostküste von Euböa transportiert, von dort mit Booten nach Kleinasien (überwiegend nach Cesme, von dort z.T. weiter nach Palästina). Einiges steht bei Λάμψα, viel dazu noch im US-Bestand War Refugee Board Files. Bisher kaum beachtet: die umfangreiche Korrespondenz von US-Generalkonsul Burton Berry, Istanbul (OSS-Mann), auch zu den erheblichen Differenzen State Department-F.O. zum Thema Flüchtlingshilfe Griechenland (State Department bewilligt Gelder für EAM zur Juden-Fluchthilfe in die Türkei, Χρον. Γεγ. S.103/Nr.396 25.4.44./ Briten sind dagegen – angeblich zu viel Geld für die Kassen der EAM - FO 371/43689: R 10779 Jul 14/1944). Griechische Quellen u.a.: Καρίνα Λάμψα u. Ιακωβ Σίμπη, Η Διάσωση, Αθήνα 2012 (Λάμψα); Χρονολόγιο Γεγονότων 1940 / 1944. Από τα Εγγραφα Αμερικάνικων Υπηρεσίων (Χρον.Γεγ. ).
Kooperation unter der Oberfläche
Deutsch-südafrikanische Netzwerke während der Apartheid
(Andreas Kahrs)
Die Ergebnisse aus dem Forschungsprojekt wurden unter dem o.g. Titel im Februar 2019 als Dissertation an der Humboldt Universität Berlin eingereicht. Die Arbeit wurde im August 2019 verteidigt. Im Zentrum der Analyse standen die südafrikanischen Bemühungen, westdeutsche Politiker und Meinungsbildner im Sinne des Apartheid-Staats zu beeinflussen und eine Anti-Apartheid-Politik der Bundesrepublik zu verhindern. Mit Hilfe sogenannter Informationsreisen nach Südafrika und Namibia sowie mit Konferenzen und Zusammenkünften in Südafrika und der Bundesrepublik sollten wohlgesonnene Akteure mit Informationen für die Südafrika-Debatte ausgestattet werden und somit von südafrikanischer Seite in den südafrikapolitischen Diskurs in der Bundesrepublik Deutschland interveniert werden.
Erste Ergebnisse der Studie, mit einem speziellen Fokus auf die Arbeit von Journalisten und auf das südafrikapolitische Engagement von Bundestagsabgeordneten, wurden im Mai 2019 in einem Beitrag in der Sendung „Report Mainz“ (SWR) aufgegriffen, der erstmals auch die Quellen aus dem SfS-Archiv öffentlich benannte.
Anlass war das 25-jährige Jubiläum der Wahl Nelson Mandelas zum Präsidenten Südafrikas. Aus gleichem Anlass erschien im Herbst 2019 ein Sammelband der Rosa-Luxemburg-Stiftung, in dem ein Beitrag ebenfalls die Ergebnisse des Forschungsprojekt ausführte. Die Studie erscheint als Monografie im Winter 2020/21.
Research Fellows
Berichte der Research Fellows
Zwischenbericht Résistance in Griechenland (Eberhard Rondholz)
1. Effizienz der Résistance – belastbare Daten vor allem aus deutschen Archiven?
Obwohl die militärische Effizienz des Partisanenkampfes an der Zahl der gesprengten Brücken und Tunnels, der entgleisten Züge, zerstörten Lokomotiven und Wagons , km Schienen und Tunnels, LKWs u.a. Motorfahrzeuge, Munitions- und Öllager allein nicht zu messen ist, der Zahl der getöteten, verwundeten oder gefangen genommenen Feinde ebenso wenig - es wird darüber Buch geführt, höchst unterschiedlich auf allen Seiten. Das heißt also: Abgleich (ELAS, EDES, SOE/F.O., OSS, IC-Berichte, „Bandenlage“-Berichte der Einheiten. Als Stichprobe 100 Blatt Berichte LXVIII. Armeekorps/Felmy zur detaillierten Auswertung kopiert im Rechner, demnächst (je nach Corona-Lage) nochmal nach Freiburg . Das Woodhouse- „Eiterbeulen“-Narrativ aber auf jeden Fall (nachträgliche!) Zweck-Propaganda, der (von Washington gerügte) Liebes- (und: Geld-) entzug für EAM/ELAS bedurfte der Rechtfertigung.
Abgeschlossene Projekte von Research Fellows:
- Kooperation unter der Oberfläche: Deutsch-südafrikanische Netzwerke während der Apartheid (2019: Andreas Kahrs)
- Griechische Dokumente zur Reparationsfrage (2019: Aris Radiopoulos)
- Körper und Arbeit (2019: Wolfgang Hien)
- Karl Marx: Das Kapital. Erster Band. Neue Textausgabe (2017: Thomas Kuczynski)
- Schiffbauindustrie und Werftarbeiter in Bremen 1914-1924 (2015: Antonio Farina)
Griechische Dokumente zur Reparationsfrage
(Aris Radiopoulos)
Mit der Veröffentlichung der Quellenedition Η διεκδίκηση των γερμανικών οφειλών προς την Ελλάδα από τον Α΄ και τον Β΄ Παγκόσμιο Πόλεμο μέσα από έγγραφα του Αρχείου του Υπουργείου Εξωτερικών [Die Forderung der deutschen Schulden aus dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg anhand von Dokumenten des Archivs des griechischen Außenministeriums], NEFELI-Verlag, Athen, im Juni 2019, wurde das Projekt zu Reparationen zunächst zu Ende gebracht. Es folgten drei Buchvorstellungen, zwei in Athen, eine weitere in Thessaloniki mit Teilnahme aktiver und ehemaliger Minister sowie Abgeordneter der konservativen regierenden Partei (Nea Dimokratia), der linken Opposition (SYRIZA) und der sozialdemokratischen Partei KINAL. In allen Veranstaltungen war auch Prof. Dr. St. Perrakis zugegen. Derzeit stehen Bemühungen an, das Buch auch in deutscher Sprache herauszubringen.
Link zum Buch auf der Verlagsseite
Körper und Arbeit
(Wolfgang Hien)
Nach Fertigstellung des langjährigen Forschungsprojektes "Körper und Arbeit – eine kritische Arbeitsgeschichte von der Hochindustrialisierung in Deutschland und Österreich bis zur neoliberalen Gegenwart" und der Veröffentlichung der Ergebnisse unter dem Titel "Die Arbeit des Körpers" im Mandelbaum-Verlag (Wien 2018) ließ sich eine beachtliche Resonanz feststellen. Es gab insgesamt zehn Rezensionen, wobei die Debatte darüber noch anhält (siehe express-Artikel von Slave Cubela im express 11/2019; Online: http://www.wolfgang-hien.de/download/Cubela.pdf). Cubela schreibt: „Indem Hien das anhaltende und immense Arbeitsleid vieler LohnarbeiterInnen aus jenem Halbdunkel zwischen arbeitswissenschaftlicher Erhellung und gesellschaftlicher Problem-Relativierung bzw. -Verdunkelung herausreißt, bietet uns sein Buch weit mehr als eine empirisch gesättigte Sozialgeschichte des Arbeitsleids. Wenn wir die reflexive und praktische Bedeutung des Arbeitsleids für die Praxis der radikalen Linken etwas genauer durchdenken, wird deutlich, was Hiens Buch tatsächlich ist: die großartige Möglichkeit einer Re-Fundierung radikaler Emanzipationspraxen.“ Es gab ferner bis 2019 acht Lesungen bzw. Vorträge und öffentliche Interviews zum Buch. Die Resonanz ist in der betriebsorientierten Linken – auch wenn es kontroverse Meinungen dazu gibt – deutlich größer als in der nicht-betriebsorientierten Linken. Im arbeitsmedizinischen Fachpublikum differenzierte sich die Resonanz deutlich zwischen Deutschland und Österreich. Die österreichische Arbeitsmedizin lud mich zu einem Plenarvortrag zum Thema des Buches auf ihrer Jahrestagung in Villach ein, während die deutsche Arbeitsmedizin das Buch bisher nicht wahrnimmt.
Bei den Historiker/innen gibt es sehr unterschiedliche Stimmen. Auf der einen Seite ist die Resonanz im Umfeld von Sozial.Geschichte Online sehr positiv, während die am Bergbaumuseum Bochum und einige wichtige an den Universitäten Bochum, Hamburg und Darmstadt angesiedelten sozialhistorischen Forschungsgruppen unsere Studie ignoriert. Dies mag auch mit zum Teil völlig unterschiedlichen Einschätzungen etwa der großen Bergbau-Unglücke zusammenhängen: Wir sehen in der seitens des Bergbaukapitals absichtlich vernachlässigten Sicherheitspraxis eine durchgängige Ursache, während die genannten Institute das Kapital von Schuld weitgehend freisprechen. Eine erfreuliche Ausnahme bildet der sozialgeschichtliche Arbeitskreis des Landesmuseums für Arbeit und Technik Mannheim. Dort konnte ich eine gut besuchte Lesung halten, der sich eine sehr lebendige Diskussion anschloss. Die Frage bleibt offen, inwieweit sich Möglichkeiten einer kontroversen Debatte ergeben oder eröffnen lassen. Der Absatz des Buches verläuft langsam, aber stetig, sodass möglicherweise 2022 eine überarbeitete Neuauflage möglich sein wird. Voraussichtlich in Nr. 26 der Sozial.Geschichte Online wird eine Rezension des Mannheimer Historikers Torsten Bewernitz erscheinen, die genutzt werden kann, um weitere Kontakte anzugehen. Es bleibt zu erwähnen, dass der zeitgleich erschienene zusammen mit Peter Birke verfasste biographische Gesprächsband "Gegen die Zerstörung von Herz und Hirn" (VSA-Verlag, Hamburg 2018) ebenfalls, zumindest in der Betriebslinken, auf eine beachtliche Resonanz gestoßen ist. Über diese Schiene war und ist es möglich, auch "Die Arbeit des Körpers" weiter bekannt zu machen. So gab es im Dezember 2019 die Möglichkeit, im Rahmen einer gut besuchten Veranstaltung der Industriekultur Rhein-Neckar in Ludwigshafen beide Bücher vorzustellen. Es konnten Kontakte zu regionalen Akteuren der Industriegewerkschaft BCE (Bergbau, Chemie, Energie) und zu gewerkschaftsnahen Bildungsträgern geknüpft werden. Eingeladen wurde ich auch von lokalen Gruppen der Freien Arbeiterinnen- und Arbeiter-Union (Berlin und Nürnberg). Insgesamt ergaben und ergeben sich weiterhin Möglichkeiten, zu ausgewählten Teil-Themen unserer kritischen Arbeitsgeschichte Artikel in verschiedenen Zeitschriften unterzubringen. Interessant ist auch die Resonanz in Internet-Medien. So konnte ich einer Startup-Unternehmensberatung ein (unzensiertes) Interview zur Frage der neoliberalen Arbeitsverhältnisse geben, das nach Angaben des Unternehmens breite Beachtung fand. Zugleich wird auf dieser Website das Mandelbaum-Buch vorgestellt: https://neustarter.com/magazine/eine-arbeitswelt-mit-mehr-menschlichkeit. Möglicherweise ist es sinnvoll, sich auf diesem Pfad weiter und intensiver zu bewegen.
Link zum Buch auf der Seite des Mandelbaum-Verlags